„Im Namen des Volkes“ – Justiz und Strafrecht im Nationalsozialismus – unter diesem Titel lud die Essener SPD am 21. November zu einer spannenden Podiumsdiskussion in die Alte Synagoge. Rund 80 Teilnehmerinnen und Teilnehmer folgten der Einladung. Besonders erfreulich war die hohe Anzahl junger Menschen im Publikum. Das Podium bildeten zwei kompetente Juristen, die sich mit diesem Themenfeld wissenschaftlich auseinandergesetzt haben.
Stephan Wilms, der die Dokumentations- und Forschungsstelle ‚Justiz und Nationalsozialismus‘ der Justizakademie des Landes Nordrhein-Westfalen leitet, warf einen Blick auf die Sozialisierung der damaligen Richter. Insbesondere ging es um die Frage, ob bereits die Justiz der Weimarer Republik politisch rechte Kräfte nicht mit der strafrechtlichen Härte verfolgt hat, wie es bei linken Kräften der Fall war. Im weiteren Verlauf des Vortrages war es dem Publikum möglich zu erfahren, wie die Juristen, insbesondere Richter, dem NS-Staat gegenüberstanden. Einen ebenso informativen Teil des Vortrages bildete der Neuaufbau der nordrhein-westfälischen Justiz nach 1945.
Prof. Dr. Gereon Wolters (Mitglied des Unterbezirksvorstandes der SPD-Essen), der einen Lehrstuhl für Strafrecht, Strafprozessrecht, Wirtschaftsstrafrecht und internationales Strafrecht an der Ruhr-Universität Bochum innehat, erläuterte konkrete Strafgesetze des NS-Staates. In diesem Zusammenhang wurde deutlich, dass rechtsstaatliche Prinzipien gezielt außer Kraft gesetzt wurden. Das sogenannte Bestimmtheitsgebot, das unseren heutigen modernen Rechtsstaat ausmacht, fand keine Anwendung. Es besagt, dass um bestraft zu werden entsprechende Gesetze existieren und für jede Bürgerin/jeden Bürger dadurch transparent nachvollziehbar sein müssen. Wo kein Gesetz – dort keine Strafe. Der NS-Staat hat diese Strafgesetze oft erst nachträglich eingeführt und somit gegen rechtsstaatliche Prinzipien verstoßen. Unverhältnismäßige Strafen wurden ausgesprochen, es wurden Gesetze geschaffen, die keine urstrafrechtliche Basis besaßen, sondern nur das Leben der Menschen reglementieren sollten. Es wurde nicht Recht gesprochen, sondern es wurde über die Menschen moralisch gerichtet. Für Richter bestand die Möglichkeit, nach dem sogenannten „gesunden Volksempfinden“ zu urteilen. Der richterliche Ermessensspielraum weitete sich aus, Entscheidungen wurden unter der Berufung auf einen „Volksgeist“ getroffen.

Auf diesen ebenso kenntnisreichen wie interessanten Input folgte die Diskussion mit dem Publikum. Fast drei Stunden lang standen die Referenten sowie Moderator Urs C. Wohlthat den Fragenden Rede und Antwort. Dies zeigte nicht nur, wie groß das Interesse der Anwesenden am Thema war, sondern auch wie ernsthaft sie sich mit den Themen Rechtsstaatlichkeit, Gewaltenteilung und diktatorische Bedrohungen auseinandersetzen.
Ein großes Lob an das engagierte Publikum und ein großer Dank an die engagierten und kompetenten Referenten Stephan Wilms und Prof. Dr. Gereon Wolters, die mit großer Mühe, Engagement und Fachwissen zu einer gelungenen Veranstaltung beigetragen haben!